Der Verteidiger
Junge Welt,April 14, 2021
Kämpfer gegen US-Imperialismus und Unterstützer von Befreiungskämpfen. Nachruf auf Ramsey Clark
Von Jürgen Heiser
Der frühere US-Justizminister Ramsey Clark ist am Freitag im Alter von 93 Jahren in New York gestorben. Das von ihm 1992 gegründete International Action Center (IAC) würdigte den weltweit respektierten Menschenrechtsanwalt und Kriegsgegner unter der Überschrift »Ramsey Clark Presente!« und hob seine Verdienste um den Aufbau dieses Aktionszentrums antiimperialistischer und antirassistischer Politik hervor. Der Todesstrafengegner habe unzählige Menschen angespornt, das IAC zu nutzen, »um Befreiungskämpfe zu unterstützen, sich Angriffskriegen der USA zu widersetzen und politische Gefangene im gefängnisindustriellen Komplex der USA und in den US-gestützten Diktaturen weltweit zu verteidigen«, erklärte Sara Flounders, Kodirektorin des IAC.
Die mit dem US-Imperialismus um ihre Souveränität ringenden Völker konnten sich der Solidarität Clarks gewiss sein. Er forderte die Unabhängigkeit der US-Kolonie Puerto Rico. Als »überzeugter Verteidiger jedweden Volkswiderstands gegen Unterdrückung« habe er internationale Delegationen gebildet, um »die Verbrechen des US-Militarismus« und »die Blockade Kubas sowie die Sanktionen gegen den Irak zu bekämpfen«. Ihn habe der Optimismus geprägt, »dass Menschen die Macht haben, ihre Geschichte zu bestimmen«.
Beispielhaft hatte sich die weltweite Wertschätzung Clarks gezeigt, als Anfang Januar 2013 in der New Yorker Riverside Church, einem der historischen Orte der schwarzen Bürgerrechtsbewegung, eine Feier zum 85. Geburtstag des am 18. Dezember 1927 Geborenen und auch zum 20jährigen Bestehen des IAC stattfand. Hunderte Aktive der Bürgerrechts- und Friedensbewegung sowie Repräsentanten aus Ländern wie Kuba, Venezuela, Peru, Iran und Serbien sowie von der UNO waren gekommen, um den Jubilar Clark und sein Lebenswerk zu ehren.
Der Journalist und ehemalige »Black Panther« Mumia Abu-Jamal, dessen Freilassung aus politischer Haft Clark forderte, hob 2013 in seiner Grußbotschaft hervor, in der Riverside Church habe Martin Luther King »die Übel des Kapitalismus, Militarismus und Rassismus« und den Vietnamkrieg verurteilt und gefordert: »Wir müssen uns auf die richtige Seite der Weltrevolution stellen.« Clark und das IAC seien dem 2003 als »stärkste Stimmen« gefolgt und hätten »Proteste gegen den bevorstehenden Irak-Krieg« und den Rachefeldzug der Bush-Regierung gegen Afghanistan auf die Beine gestellt. Damit habe Clark »mehr gegen das Unrecht getan als zu der Zeit, als er Chef des US-Justizministeriums war«, so Abu-Jamal.
Clarks Weg in die außerparlamentarische Opposition war ihm nicht vorgezeichnet. In eine prominente texanische Familie hineingeboren, der Vater im US-Justizministerium und am Obersten Gerichtshof der USA tätig, wuchs Ramsey im Glauben an die Macht des Gesetzes auf. Als Jurastudent und Rechtsanwalt erlebte er jedoch das Gesetz als rassistisches Instrument der herrschenden Eliten und beschloss, diese Realität politisch zu verändern. 1961 von der Regierung John F. Kennedys zum stellvertretenden Justizminister und 1967 von der Nachfolgeregierung Lyndon B. Johnsons zum Justizminister ernannt, arbeitete er 1965 und 1968 die Bürgerrechtsgesetze für die schwarze Bevölkerung mit aus und trat für die Umsetzung der Vertragsrechte der Indigenen ein.
In Europa wurde man auf Clarks Wirken verstärkt aufmerksam, als er sich in den Jahren 1991 und 2003 in Irak den Bombenangriffen des »freien Westens« aussetzte und mit internationalen Delegationen gegen die über das Land verhängten tödlichen Sanktionen vorging. So erfuhr die Welt vom Tod einer halben Million irakischer Kinder als Folge der Sanktionen, die für US-Außenministerin Madeleine Albright »den Preis wert« waren.
Unschätzbar war Clarks mutiges Auftreten gegen den Krieg des NATO-Kriegsbündnisses 1999 zur Zerstörung Jugoslawiens unter Führung der US-Regierung William Clintons und des deutschen Kriegskabinetts unter Gerhard Schröder und Joseph Fischer. Während der 78 Tage des unerbittlichen US-Bombardements weilte Clark zweimal in Jugoslawien. Er besuchte bombardierte Schulen, Krankenhäuser und traf den gewählten Präsidenten Slobodan Milosevic. Später besuchte er den nach Den Haag entführten Präsidenten, dem vor dem sogenannten Internationalen Strafgerichtshof für das ehemalige Jugoslawien der Schauprozess gemacht wurde. Für Clark waren dort die Falschen angeklagt. Laut seiner Anklageschrift für das von ihm vorgeschlagene »Volkstribunal über US-Kriegsverbrechen in Jugoslawien« hätte US-Präsident Clinton auf die Anklagebank gehört, zusammen mit Außenministerin Albright und den entsprechenden Regierungspolitikern Deutschlands, Großbritanniens, Frankreichs und anderer NATO-Mächte.
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